Vom Hype zum EBIT: Wie Sie KI-Investitionen jetzt in messbare Ergebnisse verwandeln.
Ein Reality-Check für Manager und Investoren: Rekordinvestitionen und breite Nutzung treffen auf einen kaum messbaren EBIT-Effekt. Was Benchmarks verschweigen, warum 95 % der GenAI-Piloten ergebnislos verpuffen und welches Führungs- und Kompetenz-Setup jetzt den Durchbruch bringt.
Frankfurt, ein Montagabend Ende August. DekaBank-Chef Georg Stocker bringt auf den Punkt, was viele Vorstände umtreibt: „KI ist nicht mehr nur Spielerei, sie ist raus aus der Erprobungsphase.“ Künftig müsse bei jedem neuen Projekt KI „von Beginn an mitgeplant“ werden. Ein Imperativ, geboren aus wachsendem Ergebnisdruck. Doch in zahllosen Aufsichtsrats- und Vorstandsrunden lautet die quälende Gegenfrage noch immer: „Wo genau sehen wir die Effekte in der GuV – jenseits der Kosten?“
Diese Frage markiert die größte Herausforderung der aktuellen KI-Welle. Der Hype ist real, die Technologie ist verfügbar, doch die Wertschöpfung bleibt für die meisten Unternehmen ein Versprechen.
Die ernüchternde Realität in Zahlen
Die Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag lässt sich klar beziffern. Einerseits wird massiv investiert: Allein in den USA erreichten die privaten KI-Investitionen 2024 die Rekordsumme von 109,1 Milliarden US-Dollar – fast das Zwölffache der Investitionen Chinas. Parallel dazu geben bereits 78 % der Unternehmen an, KI in mindestens einer Geschäftsfunktion einzusetzen.
Andererseits ist der finanzielle Ertrag minimal.
Kein EBIT-Impact: Laut der jüngsten globalen KI-Erhebung von McKinsey berichten über 80 % der Unternehmen von keinem materiellen EBIT-Effekt auf Konzernebene. Zwar gibt es in einzelnen Funktionen Kostensenkungen, doch diese schlagen nicht auf das Gesamtergebnis durch.
Das 95-Prozent-Problem: Ein viel beachteter Bericht des MIT („The GenAI Divide“) konstatiert, dass 95 % der GenAI-Initiativen in Unternehmen bisher keinen messbaren P&L-Effekt erzeugen. Nur 5 % der Projekte skalieren mit klarer, nachweisbarer Wertschöpfung.
Dabei könnte der wirtschaftliche Druck kaum größer sein. Denn während die KI-Gewinne ausbleiben, spitzt sich an anderer Stelle eine Krise zu: der Fachkräftemangel. Im ersten Quartal 2025 waren in Deutschland 1,18 Millionen Stellen unbesetzt. Dieser Mangel bremst das Wachstum und erhöht den Anreiz, Prozesse statt Köpfe zu automatisieren.
Der blinde Fleck: Warum individuelle Effizienz nicht auf die P&L einzahlt
Wo also versickert das Geld? Die Antwort liegt im Missverständnis dessen, was KI im ersten Schritt leistet. Die oft zitierte Makro-Prognose von McKinsey, die das jährliche Potenzial generativer KI auf 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar beziffert, hilft hier wenig. Solche Zahlen basieren auf theoretischen Modellen, nicht auf der kurzfristigen Realität in Unternehmen.
Der häufigste Fehler: Unternehmen verwechseln individuelle Produktivitätssteigerung mit betriebswirtschaftlichem Ergebnis. Ein anekdotisches, aber treffendes Beispiel: Ein Berater bei einer großen Strategieberatung berichtet, dass seit dem Einsatz von KI, Nachtschichten der Vergangenheit angehören. Er kommt nun regelmäßig um 16:30 Uhr nach Hause, erledigt seine Arbeit schneller und in besserer Qualität. Seine persönliche Arbeitseffizienz ist um vielleicht 30 % gestiegen.
Doch was hat das Unternehmen davon? Nichts – solange diese gewonnene Zeit in „organisatorischem Leerlauf“ (Organizational Slack) verdampft. Wenn die Führungskraft die freigewordene Kapazität nicht aktiv in neue Aufgaben, zusätzliche Projekte oder die Akquise lenkt, bleibt der einzige Effekt ein entspannterer Mitarbeiter. Das ist sozial wünschenswert, aber für die P&L neutral.
Genau hier liegt die Kernaufgabe des Managements: individuelle Effizienzgewinne in messbare Unternehmensleistung zu überführen. Dies gelingt nicht durch den bloßen Rollout von Tools, sondern nur durch eine gezielte Transformation der Arbeit selbst.
Der Weg zum Wert: Ein Drei-Phasen-Modell für die KI-Transformation
Phase 1: Technologiezugang & Qualifizierung – Das Fundament legen
In dieser Phase geht es darum, Mitarbeitern einen breiten und sicheren Zugang zu KI-Werkzeugen zu geben. Das kritische Problem ist hier die „Schatten-KI“: Mitarbeiter nutzen private Accounts für ChatGPT & Co., ein Datenrisiko. Die naheliegende Antwort, ein hauseigenes ‚CompanyGPT‘, entpuppt sich oft als Falle: Technologisch schon veraltet, bevor es überhaupt ausgerollt ist. Selbst der breite Einkauf von Lizenzen für Microsofts Copilot garantiert keinen Erfolg. Denn Nutzerfreundlichkeit und Ergebnisqualität holen den an ein anderes Leistungsniveau gewöhnten, innovativen Mitarbeiter nicht aus der Schattennutzung heraus.
Doch Technologie allein reicht nicht. Die Analogie zum Maschinenbau hilft: Niemand würde einen neuen Stanz-Biegeautomaten in die Halle stellen und erwarten, dass sich die Produktivität von selbst erhöht. Es braucht geschulte Mitarbeiter, angepasste Prozesse, eine saubere Auftragsdatenversorgung und Ziele, deren Erreichung von den Führungskräften gesteuert werden muss. Dasselbe gilt für KI. Die Einführung ist kein IT-Projekt, sondern ein Change-Prozess.
Die Aufgabe des Managements ist hier, nicht nur Tools bereitzustellen, sondern Qualifizierung zu fördern und die freiwerdenden Kapazitäten aktiv zu nutzen.
Phase 2: Leuchttürme & Wissenszugang – Wert sichtbar machen
Hier geht es darum, den Wert von KI gezielt zu beweisen, um Akzeptanz für größere Veränderungen zu schaffen. Ein Mittelständler aus der Fertigungsindustrie etwa stellt sein technisches Wissen – von Wartungshandbüchern bis zu alten Reparaturprotokollen – in ein System was auf der RAG Technologie (Retrival Augmaneted Generation) basiert den Mitarbeitern zur Verfügung. Wenn heute eine Maschine ausfällt, kann der Techniker im Dialog mit dem Computer die Fehlerquelle in Sekunden eingrenzen. Früher dauerte die Suche in Aktenordnern oft Stunden. Solche Erfolge schaffen Akzeptanz in der Belegschaft und beweisen, dass die Technologie einen konkreten Wert hat.
Phase 3: Prozessautomatisierung & Workflows – Den EBIT heben
Das ist die Phase, in der das Geld messbar verdient wird. Hier wird KI tief in die Prozesse des Unternehmens integriert, um menschliche Bearbeitungsschritte messbar zu reduzieren. Statt einzelner Tools werden End-to-End-Workflows (z. B. mit Plattformen wie Power Automate, Make.com oder n8n) neu designt und an definierten Stellen durch LLMs als „denkende“ Komponenten ergänzt.
Doch die Entwicklung geht bereits einen entscheidenden Schritt weiter: hin zu autonomen KI-Agenten. Während klassische Workflows starren Regeln folgen (Wenn X, dann Y), verfolgt ein Agent ein übergeordnetes Ziel. Er entscheidet unterwegs selbst, ob er eine Datenbank abfragt, eine E-Mail verschickt oder eine Erinnerung für einen Kollegen einträgt. Das verleiht ihm eine enorme Flexibilität, macht ihn aber auch unberechenbarer und schwerer zu kontrollieren. Umso wichtiger wird die Rolle des fachkundigen Mitarbeiters, der die Ergebnisse des Agenten im Auge behält, validiert und bei Bedarf korrigierend eingreift.
Egal ob Workflow oder Agent, beides erfordert die enge Zusammenarbeit von Experten aus den Fachabteilungen mit der KI- bzw. IT-Abteilung. Entscheidend sind dabei die Datenqualität und die Analyse der tatsächlich gelebten Prozesse, die oft erheblich von den offiziellen Handbüchern (SOPs) abweichen. Wenig überraschend gilt auch hier eine alte Binsenweisheit der Digitalisierung: Ein schlechter Prozess bleibt auch mit KI-Unterstützung ein schlechter Prozess. Bei der Auswahl gilt eine oft bemühte Management-Floskel, die so platt wie wahr ist: Think Big, Start Small & iterate often.
Das Ziel ist unmissverständlich: messbare Effizienzgewinne und Umsatzsteigerungen durch die Transformation von Kernprozessen zu erzielen. Für das Management heißt das, das Prozess-Reengineering aktiv voranzutreiben, das Change-Management zu steuern und die Organisation auf handfeste P&L-Ziele zu verpflichten.
Die entscheidende Rolle der Führung: Vom Hype zum Ergebnis
In jeder Phase ist die Führungskraft der entscheidende Faktor. Für das Top-Management stellt sich nun eine strategische Kulturfrage: Folgt man dem „Private Equity Playbook“ mit harten Cost-Out-Zielen (z. B. –30 % Personalkosten in administrativen Funktionen) oder einer „Enablement-Kultur“? Letztere setzt auf Wachstum, indem freigewordene Kapazitäten gezielt in höherwertige Aufgaben wie Kundenbetreuung oder Innovation reinvestiert werden.
Beide Wege erfordern jedoch echte KI-Kompetenz im gesamten Führungsteam. Die Forderung von DekaBank-Chef Stocker, KI „in allen Projekten von Beginn an mitzuplanen“, darf nicht zu blindem Aktionismus führen. Denn nur weil man jetzt einen besseren Hammer hat, ist nicht jedes Problem ein Nagel.
Ausblick: Zuerst langsam, dann ganz plötzlich
Die langsame Diffusion der wirtschaftlichen Effekte von KI ist nicht ungewöhnlich. Doch diese Phase der Stagnation könnte trügerisch sein. „Fortschritt ist selten linear, und KI ist keine Ausnahme“, mahnt Google-CEO Sundar Pichai. Die Dynamik folgt eher einem Muster, das Ernest Hemingway in einem seiner Romane beschrieb. Auf die Frage, wie er bankrottgegangen sei, antwortete die Romanfigur: „Auf zwei Wegen. Zuerst ganz langsam, und dann ganz plötzlich.“
Die offene Frage lautet nicht, ob KI in der Gewinn- und Verlustrechnung sichtbar wird, sondern wann und bei wem zuerst: im eigenen Unternehmen oder beim Wettbewerb. Oder, zugespitzt mit den Worten von Jeetu Patel von Cisco: „Am Ende wird es nur zwei Arten von Unternehmen geben: solche, die KI-Unternehmen sind – und solche, die irrelevant sind.“
Wenn Sie die Potenziale in Ihrem Unternehmen erschließen wollen, sprechen Sie uns an. Wir im AI Transformation Institute begleiten Sie auf diesem Weg.
Hier unverbindliches Erstgespräch vereinbaren.
Wir helfen Ihnen, die spezifischen Risiken zu identifizieren und die Potenziale der KI sicher zu nutzen.